Sehnsucht

Er sass am Rand seines grossen Bettes, den Blick gen Boden gerichtet.

Es war kein besonderer Boden, aber er hatte ja auch keinen besonderen Grund ihn überhaupt zu betrachten.
Geistesabwesend, während er in seinen Gedanken einen anderen Kampf austrug, waren seine Augen starr, aber das Gesicht doch leicht entspannt, nach unten gerichtet.

Die Sonnenstrahlen, welche seinen nackten Oberkörper in einen goldenen Glanz hüllten, schienen zum Balkonfenster herein und zeigten, dass die Sonne im Begriff war unterzugehen. Das Leuchten auf seinem Körper wärmte ihn und machte es ihm noch einfacher, sich in seine Gedankenwelt zu verkriechen. Den Oberkörper gebeugt und sich mit den Unterarmen auf seine Oberschenkel gestützt sass er, mit herabhängenden Schultern und gebeugtem Nacken da.
Durch den Balkoneingang sah man die Sonne auf dem weiten Meer glitzern und neben den abertausend Spiegeln in welchen sich die Sonne auf der Wasseroberfläche zeigte, war der hellweisse Sandgrund unter hellblauem Wasser zu sehen. Das Wasser lockte draussen mit seiner unglaublichen Farbe, der Wind lockte mit einem leichten Schmeicheln auf der Haut und die Weite des Meeres warb mit einer Entspannung, die Ihresgleichen suchte. Hier drinnen waren nur die, überall über die Decke verteilten, hellen Flecken von den Reflektionen des Wassers draussen wahrzunehmen, welche sich hypnotisch und einem Kaleidoskop gleich abzuwechseln schienen. Aber all dies war unendlich weit von ihm und seinem Bewusstsein entfernt. Er sass schon eine ganze Weile regungslos auf dem Bett, während draussen das Leben weiterging und die Wellen den Bungalow leicht mit ihren Bewegungen zum Schwingen brachten.
Er hatte sich riesig gefreut, endlich Zeit zu haben, dem Sumpf der Arbeitswelt zu entfliehen und mit dem seit langem angesparten Geld diesen Flug und die Reise zu unternehmen. Und nun war er mitten drin, am Ziel seiner Träume angelangt. Schon vor drei Wochen hatte er den grauen Einheitsbrei des Alltages hinter sich gebracht, um der Maschinerie des ewig Gleichen und Gleichbleibendem zu entkommen.

Er hatte es genossen.
Das blaue Meer.
Die weissen Sandstrände.
Die warme Sonne auf der Haut.
So leicht bekleidet und sich damit so erlöst und erleichtert, wie schon lange nicht mehr zu fühlen.
Und dann erst das leckere Essen.
Jeden Tag etwas Neues und frisch zubereitet.
Ein Paradies auf Erden.
Den Abend unter den Palmen verbringen und dem Meer beim Rauschen über den Sandstrand zuzuhören.
Die Zeit war wie im Fluge vergangen.
Anfangs war es noch ungewohnt und aufregend gewesen, doch schnell hatte er sich auf die neue Situation und Umgebung eingewöhnt und nachdem die Aufregung sich gelegt hatte, hatte er es einfach nur noch genossen.

Und genau in dieser Zeit war es passiert.
Unbemerkt von ihm selber, war dieser Gedanke aufgetaucht und mit jeden Tag gewachsen.
Wie hatte er es nur vergessen können?

Man könnte fast sagen, er habe es verdrängt, unterdrückt, aus seinen Gedanken geschoben.
Dann und wann hatte er das Gefühl etwas zu vermissen. Als ob er an Etwas gedacht hätte, nun aber nicht mehr wusste, was es genau gewesen war. Dabei war es einfach die Gewohnheit, wie das immer stärker werdende Bedürfnis ihn nun auf sich aufmerksam machte.
Und wie er nun da am Bettrand sass und sich den Kopf zerbrach, um das Wissen wieder zu erlangen, was er vergessen hatte, dessen was er nicht mehr wusste, in jenem Moment traf es ihn.

Die Erleuchtung, der Blitz der Wiedererkenntnis, der Moment der Wahrheit und er wusste wieder, wonach er sich sehnte.

Er musste unbedingt wieder zurück.
Zurück nach Hause.
Zurück, so schnell wie möglich und diese Sache angehen.

Er stellte es sich schon bildlich vor, vor dieser Türe zu stehen und es nicht erwarten zu können.
Den Geruch wahrzunehmen, welcher ihm entgegenwehte, wenn die Türe sich öffnen würde.
Es fast nicht aushalten können und nicht abwarten können, bis es soweit war.
Er sehnte sich nach nichts anderem, als den leckeren, gut gebratenen Hackbraten seiner Mutter mit dieser tollen würzigen Sauce geniessen zu können.

PS: Leider am Sehnsucht Wettbewerb nicht weitergekommen, aber macht nix, nun ist er hier 🙂


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